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fangen hielten, Bianca. Und außerdem steht dir diese Frisur
überhaupt nicht.«
Ich seufzte. »Ich weiß. Hab ja schließlich auch Augen im
Kopf.«
»Halt mal still.« Patrice trat hinter mich, schüttelte die un­
gleichmäßigen Zöpfe, die ich mühsam geflochten hatte, und
strich sie mit den Fingern aus. Dann band sie die Haare genau
am Halsansatz zu einem lockeren Knoten zusammen. Einige
Strähnen lösten sich und umrahmten mein Gesicht, was nach­
lässig, aber wunderschön und genau so aussah, wie ich meine
Haare immer hatte tragen wollen. Ich begutachtete meine Ver­
wandlung im Spiegel und fand, dass es wirkte, als ob meine
Haare durch Magie gebändigt worden wären.
»Wie hast du das denn gemacht?«
»Das lernt man mit der Zeit.« Sie lächelte und freute sich
weniger mit mir mit, als dass sie vielmehr stolz auf ihr eigenes
Geschick war. »Deine Haare haben eine wunderschöne Farbe.
Auf dem cremefarbenen Pullover fällt das viel mehr auf. Siehst
du das?«
Seit wann ist denn dieser rötliche Ton eine »wunderschöne
Farbe« für Haare? Ich lächelte mein Spiegelbild an und dach­
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te, dass jedes Wunder möglich war, solange Lucas und ich mi­
teinander ausgingen.
»Wunderschön«, wiederholte Patrice, und dieses Mal däm­
merte mir, dass sie es tatsächlich ernst meinte. Das Kompli­
ment war nicht persönlich gemeint; ich glaube, dass ihr Schön­
heit an sich wichtiger war als mir. Doch sie würde nicht be­
haupten, dass ich hübsch aussähe, wenn sie es nicht auch fin­
den würde.
Verschämt, aber freudig erregt, schaute ich noch einige Zeit
lang mein Spiegelbild an. Wenn Patrice etwas Schönes an mir
zu entdecken vermochte, dann würde Lucas das vielleicht auch
können.
»Du siehst toll aus!«, schrie Lucas zu mir herüber.
Ich nickte ihm zu und versuchte, Augenkontakt zu ihm zu
halten, während wir uns einen Weg durch die Schülermassen
bahnten, die dabei waren, sich in den Bus zu zwängen, welcher
uns in die Stadt bringen würde. Die Evernight-Akademie ver­
fügte nicht über so etwas Gewöhnliches wie einen gelben
Schulbus. Stattdessen befanden wir uns in einem kleinen, edlen
Shuttle-Bus, der eher zu einem schicken Hotel passen würde
und der vielleicht nur für diesen Anlass gemietet worden war.
Ich war mit der ersten Schülerwelle nach vorne geschoben
worden, während Lucas es noch immer nicht bis zur Tür ge­
schafft hatte. Aber wenigstens konnte ich ihn durchs Fenster
lächeln sehen.
»Fa-bel-haft.« Vic lachte und warf sich auf den Sitz neben
mir. Er trug einen Filzhut, der aussah, als stamme er aus den
1940er-Jahren, und er war eigentlich ganz süß, aber natürlich
war nicht er derjenige, neben dem ich eigentlich während der
Fahrt sitzen wollte. Mein Gesichtsausdruck musste mich verra­
ten haben, denn er knuffte mir gegen die Schulter. »Keine Sor­
ge. Ich halte nur den Sitz für Lucas warm.«
»Besten Dank.«
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Wenn Vic nicht gewesen wäre, hätte ich überhaupt nicht ne­
ben Lucas sitzen können. Die Leute konnten gar nicht schnell
genug in den Bus einsteigen, und es schien so, als ob zwei Dut­
zend Schüler - praktisch alle, die keine Evernight-Typen waren
- wild entschlossen waren, nach Riverton zu kommen. Wenn
man bedachte, wie öde es dort war, dann wollten sie vermutlich
einfach nur von der Schule weg, wobei ihnen das Ziel völlig
egal war. Ich wusste, wie sie sich fühlten.
Vic überließ Lucas großmütig seinen Platz, als dieser sich
endlich bis zu mir durchgewühlt hatte, aber man konnte nicht
behaupten, dass das der Startschuss für unsere Verabredung
war.
Wir waren von Mitschülern umzingelt, die allesamt lachten,
sich unterhielten und einander etwas zuriefen; so erleichtert
waren sie darüber, endlich das bedrückende Schulgelände hin­
ter sich gelassen zu haben. Raquel saß einige Reihen entfernt
und sprach angeregt mit ihrer Zimmergenossin; anscheinend
hatte ich ihre Ängste zerstreuen können, wenigstens erst mal.
Einige Leute warfen neugierige Blicke in meine Richtung, und
man konnte sie nicht eben als freundlich bezeichnen. Offen­
sichtlich hielt man mich noch immer für einen Teil der ange­
sagten Gruppe, was ebenso komisch wie falsch war. Vic kniete
auf dem Sitz vor uns und schien vorzuhaben, uns alles über die
E-Gitarre zu erzählen, die er sich in der Stadt in einem Musik­
geschäft, das lange geöffnet hatte, kaufen wollte.
»Was willst du denn mit einer E-Gitarre?«, rief ich über den
Geräuschpegel hinweg, während wir die Straße in Richtung
Stadt entlangholperten. »Sie werden dich auf keinen Fall in
deinem Zimmer darauf spielen lassen.«
Vic zuckte mit den Schultern und grinste breit. »Mann, es
reicht doch, sie mir anzugucken. Zu wissen, dass ich etwas so
Tolles besitze. Das wird mich jeden Tag zum Strahlen brin­
gen.«
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»Du grinst doch eh ständig. Du lächelst sogar im Schlaf.«
Obwohl es so klang, als ob Lucas Vic aufzog, war mir doch
klar, dass er ihn tief im Innern mochte.
»Das ist die einzig wahre Art zu leben.«
Vic war das komplette Gegenteil eines Evernight-Typs, des­
halb beschloss ich, ihn ebenfalls zu mögen. »Und was hast du
vor, während wir im Kino sind?«
»Die Stadt erkunden. Wandern. Die Erde unter mei nen Fü­
ßen spüren.« Vic wackelte mit den Augenbrauen. »Vielleicht
gibt es auch ein paar heiße Schnitten in der Stadt.«
»Dann solltest du die E-Gitarre vielleicht später kaufen«, riet
ihm Lucas. »Ist doch nur hinderlich, wenn du die ganze Zeit
das Ding mit dir rumschleppen musst.« Vic nickte mit ernster
Miene, und ich grinste hinter vorgehaltener Hand.
Und so waren Lucas und ich gar nicht richtig allein mitei­
nander, bis wir die Hauptstraße von Riverton entlangschlender­
ten und nur noch einen Block vom Kino entfernt waren. Wir
strahlten beide, als wir sahen, was gezeigt wurde.
»Verdacht«, sagte er. »Und Alfred Hitchcock ist der Regis­
seur. Er ist ein Genie.«
»Und Gary Grant spielt mit.« Als Lucas mir einen Blick zu­
warf, fügte ich hinzu: »Du hast deine Prioritäten, ich meine.«
In der Eingangshalle lungerten noch ein paar andere Schüler
herum. Vermutlich hatte das weniger damit zu tun, dass Gary
Grant plötzlich wieder beliebt war, sondern mit der Tatsache,
dass Riverton ansonsten wenig Zerstreuung bot. Trotz der an­
deren freuten Lucas und ich uns auf den Film... zumindest bis
wir sahen, wer als Aufsicht fürs Kino abgestellt worden war.
»Glaubt mir«, sagte Mum, »uns gefällt das ebenso wenig
wie euch.«
»Wir waren ganz sicher, dass ihr etwas essen gehen würdet.«
Dad hatte Mum den Arm um die Schultern gelegt, als ob es de­
ren Date und nicht unseres wäre. Wir standen vor einer Wand
mit Kinoplakaten in der Eingangshalle, und Joan Fontaine
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starrte uns entgegen, als ob sie über meine Zwangslage und
über ihre eigene entsetzt wäre.
»Das ist der Grund, warum wir beschlossen haben, hier auf­
zupassen. Den Schnellimbiss hat jemand anders übernommen.«
Aufmunternd fügte Mum hinzu: »Ist noch nicht zu spät für
Pfannkuchen irgendwo. Wir wären auch nicht beleidigt.«
»Schon in Ordnung.« Natürlich war es nicht okay, bei mei­
ner ersten Verabredung meine Eltern dabeizuhaben, aber was
sollte ich schon sagen? »Es hat sich herausgestellt, dass Lucas
alte Filme auch so mag wie ich, also & uns macht das nichts,
oder?«
»Nein.« Lucas sah nicht so aus, als ob es ihm nichts ausma­
chen würde. Irgendwie schien er noch mehr aus der Fassung
gebracht zu sein als ich.
»Es sei denn, du magst Pfannkuchen«, fügte ich hinzu.
»Nein. Ich meine: Ja, ich mag Pfannkuchen, aber die alten
Filme mag ich noch lieber.« Er hob das Kinn, und es wirkte be­
inahe, als ob er meine Eltern herausfordern wollte, ihn noch
weiter einzuschüchtern. »Wir bleiben.«
Anstatt nun anzufangen, ihn wirklich einzuschüchtern, grins­
ten meine Eltern nur.
Ich hatte ihnen letzten Sonntag beim Abendbrot erzählt, dass
Lucas und ich gemeinsam nach Riverton fahren würden. Wei­
ter hatte ich dazu nichts gesagt aus Angst, dass sie völlig ge­ [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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