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vielleicht für einen Diplomaten zu viel schwatzen sollte,
so haben Sie schuld, mein Fräulein, denn Sie zeigten mir
meinen Bruder, und wenn von ihm die Rede ist, will
meine Zunge nicht wieder stille stehen. Wahrlich! der
ganzen Welt möchte ich's verkünden, wie gut und edel er
ist. Es handelte sich um nichts weniger, als um 20000
Franken Einkünfte, so viel ertragen die Güter von Lon-
geville, und er verzichtete darauf zu meinem Besten.«
»Und Sie ließen Ihren Bruder Musselin und Kalikos ver-
kaufen?« unterbrach ihn Emilie nicht ohne Bitterkeit.
Der Diplomat erschrak. »Mein Fräulein, woher wissen
Sie das?  Ich habe es Ihnen nicht gesagt, denn wenn ich
auch unschicklicherweise einen ganzen Wortschwall da-
hinströmen lasse, so bin ich doch Diplomat genug, um
nur zu sagen, was ich sagen will, wie alle Gesandt-
schaftslehrlinge meiner Bekanntschaft.«
»Sie haben es mir gesagt.«
»Mein Fräulein, Sie erschrecken mich. Ich habe Ihnen
nichts gesagt, aber,« erstaunt hielt er inne. Ein Argwohn
ging in seiner Seele auf. Er blickte auf seinen Bruder, auf
Emilie, dann schlug er seine Hände zusammen, blickte
gen Himmel und rief:
»Oh, ich Dummkopf!  Sind Sie nicht die Dame von
ausgezeichneter Schönheit  die schönste hier, wie über-
all?  Mein Bruder blickt Sie verstohlen an, er tanzt, trotz
dem Fieber  lassen Sie ihn nicht langer so unglücklich
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und vergeblich seufzen. Ich könnte eifersüchtig auf sein
Glück werden, aber das verdient er nicht. Nein! mein
Herz nehme ich in beide Hände, reiche es Ihnen und nen-
ne Sie: Schwester.«
Der Tanz war zu Ende: der Diplomat führte Emilie zu
ihrem Oheim zurück. Das Mißverständnis war nun frei-
lich gehoben, aber keiner der Liebenden wollte den ers-
ten Schritt zur Versöhnung tun.
Um zwei Uhr morgens trug man in einer weitläufigen
Galerie das Abendessen auf. Die Tische standen für jede
Gesellschaft einzeln gedeckt, so daß mehrere Personen
sich abgesondert von den übrigen nebeneinander setzen
konnten.
Der Zufall, der Liebende nicht selten begünstigt, wollte,
daß Maximilian Longeville in Emiliens Nähe an einem
Tische Platz nehmen mußte. Vielleicht war es auch die
Wirkung der Reize Emiliens, die als Königin des Festes
die angesehensten Personen in ihre Nähe zog, zu denen
Maximilian gehörte. Sie lauschte sorfältig auf alle Ge-
spräche, die man am nächsten Tische führte, und so be-
horchte sie eine Unterredung, wie sie zwischen einer
dreißigjährigen Dame und einem Jünglinge, wie Maximi-
lian, sich leicht anspinnt.
Eine neapolitanische Gräfin war nämlich die Tischnach-
barin des letzteren, deren feurige Augen ziemlich gefähr-
liche Blitze schleudern mochten, zumal da die Gräfin mit
südlichen Reizen eine glänzende und zarte Haut verband.
Um so mehr beleidigte die Vertraulichkeit, die sie sich
gegen ihren Führer erlaubte, Emilien, weil diese heute
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Ursach gefunden hatte, ihrem ehemaligen Geliebten neue
Achtung zu zollen.
»Ja! mein Herr!« sprach die Neapolitanerin mit beredten
Blicken, »bei mir zulande offenbart sich wahre Liebe in
gänzlicher Aufopferung.«
»Oh! daß auch unsere Damen so dachten,« seufzte Ma-
ximilian mit einem Seitenblick auf Emilie, »ach nein, sie
lieben sich selbst mehr als alles.«
»Mein Herr!« wandte sich Emilie plötzlich, »Sie tun ü-
bel. Ihre Landsmänninnen auf solche Weise zu verleum-
den. Es gibt deren, die wahre Gefühle hegen.«
»Denken Sie,« fragte die Gräfin, »daß eine Französin
imstande wäre, ihrem Geliebten überall hin zu folgen,
wohin es auch sei, daß er entfliehen möchte?«
»Verstehen wir uns! Madame,« versetzte sie. »Kein
Mädchen darf auf Kosten ihres Herzens einen ehrlosen
Schritt begehen. Sie folgt ihrem Geliebten in eine Hütte,
in eine Wüste, aber nicht  «
»Wohin zum Beispiel nicht?«
»Zum Beispiel, in keinen Laden, Madame, wenn die Ge-
liebte von Adel ist.«
»Freilich,« versetzte die Gräfin, »es wäre eine harte Pro-
be, aber sollte Liebe nicht diesen Sieg erreichen?«
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»Gewiß nicht! Gesetzt, ein Geliebter würde ungetreu, so
besitzt Liebe Selbstüberwindung genug, um es zu verge-
ben, wenn der Gegenstand ein würdiger ist. Die Rück-
kehr des Geliebten wäre ein Triumph für die Geliebte.
Aber ein Liebender runzelt die Stirn, spielt den Geheim-
nisvollen, man sucht, ihn zu erforschen. Er schweigt
hartnäckig! Natürlich schämt er sich zu gestehen, was er
sei, in der Gesellschaft, in der er sich befindet. Endlich,
überrascht man ihn, entdeckt die Falten seines Herzens.
Man findet ihn beschäftigt mit einer Nebenbuhlerin, und
wer ist diese Nebenbuhlerin?  Eine Elle.  Ich bitte Sie,
Madame, möchten Sie für eine Elle irgend etwas op-
fern?«
Die Gräfin lachte. »Eine Elle? freilich da haben Sie
recht! Dies ist eine unerträgliche Nebenbuhlerin. Ich
möchte um alles in der Welt keiner Elle aufgeopfert wer-
den, denn allerdings gilt einem Kaufmann die Elle mehr
als seine Gattin, ja, die halbe Elle, die viertel Elle von
einem kostbaren Zeuge ist ihm lieber als der vollkom-
menste Beweis der Zärtlichkeit seiner Geliebten, wenn er
ein echter Geschäftsmann ist.  Aber wozu solche Ge-
spräche in einer Gesellschaft wie die unsrige?«
Man erhob sich vom Tische. »Mein Fräulein!« hob Ma-
ximilian an, fast weinend, »vergönnen Sie mir wenigs-
tens. Ihnen Lebewohl zu sagen.«
»Wozu?«
»Niemand wird heißere Wünsche für Ihr Glück hegen als
ich, obgleich Sie mich mehr gekränkt, als Sie je im Le-
ben einen anderen werden kränken können.«
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«Wollen Sie Paris verlassen?«
»Meines Bleibens ist hier nicht, ich will nach Italien.«
»Mit einer Gräfin vermutlich?«
»Mit einer tödlichen Herzenswunde!«
»Maximilian!«
»Ich sage Ihnen ewig Lebewohl!«
»Ich vergebe Ihnen!«
»Es gibt Wunden, für die keine Heilung ist!«
»Sie werden nicht reisen!«
»Ich habe Ihre Verachtung nicht verdient, ich reise!«
»Bei Ihrer Rückkehr bin ich verheiratet.«
»Oh! daß Sie das Glück finden möchten, welches ich [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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